So klingt die Runge-Orgel vor der Restaurierung

Zu hören ist ein wertvolles historisches Instrument, gebaut von Johann Heinrich Runge, Hagenow, im Jahr 1872.

Von den 19 Registern, verteilt auf zwei Manuale und Pedal, sind die meisten noch original erhalten. Einige wurden umgestellt, abgeschnitten oder sind zur Zeit nicht bzw. nicht sinnvoll spielbar.

Darüber hinaus gibt es einen erheblichen Renovierungsbedarf.
Auch das ist an diesem Tonbeispiel zu hören. Noch deutlicher wird das später im Vergleich der Aufnahmen vor und nach der Restaurierung werden.

Josef Gabriel Rheinberger: “Intermezzo” op. 156,4

Bei diesem Musikstück hört man den zu niedrigen Winddruck, bedingt dadurch, dass zwei von drei Bälgen undicht sind. Somit können nicht alle vorhandenen und passenden Register gezogen werden, da jede Pfeife dann nicht genug Wind bekommen würde. Außerdem leiden die verwendeten Holzpfeifen unter dem Holzwurm und klingen dadurch beeinträchtigt. Ständig hört man zu sehr das Klappern der Traktur. Auch das wird durch die Restaurierung verringert werden.

Felix Mendelssohn Bartholdy: “Con moto maestoso” aus Sonate III op. 65,3

In dem Sonatensatz von Felix Mendelssohn Bartholdy klingen gegen Ende der zweiten Fuge tatsächlich alle Register im Hauptwerk und im Pedal zusammen. Solange wenige Tasten gleichzeitig gedrückt werden, funktioniert das. Doch selbst an den kurzen Stellen im A-Teil, die auf dem Nebenwerk -ebenfalls mit allen vorhandenen Registern- gespielt werden, sind die Schwächen des Instruments deutlich hörbar.

Der A-Teil, mit dem das Stück beginnt und endet, steht in A-Dur. Der Ton “c°” im Pedal, der leider derzeit komplett fehlt, wird in A gar nicht benötigt; in A’ käme er zweimal kurz solistisch vor – an diesen Stellen entsteht nun eine kleine Pause. Der B-Teil steht in A-Moll und hier wäre das “c°” ein zentraler Ton, der häufig gebraucht würde. Die bekannte Melodie “Aus tiefer Not schrei ich zu dir”, die im Pedal komponiert ist und durch das Posaunenregister hervorgehoben wird, kann man so nur noch erraten.

Weiterhin hört man beim Pedalsolo kurz vor Beginn von A’, dass einerseits die Posaune bei manchen Pedaltönen ausfällt bzw. zu langsam reagiert. Andererseits geht bei einigen Tasten die Pedalkoppel, welche sich zur Zeit gar nicht ziehen lässt, automatisch mit.

Felix Mendelssohn Bartholdy: “Andante tranquillo” aus Sonate III op. 65,3

Als Kontrast und ruhiger Ausklang folgt der zweite und letzte Satz dieser Sonate: “Andante tranquillo”. Für die Manualstimmen verwende ich die Flöte 8′ aus dem Hauptwerk. Auf dem Bild (u.re.) sieht man sehr schön die doppelte Labien auf den jeweils gegenüberliegenden Seiten der Holzpeifen. Dadurch sollte der Ton eigentlich fülliger klingen. Im jetzigen Zustand der Orgel bleibt dieser Effekt allerdings aus.

Josef Gabriel Rheinberger: “Klage” op. 156,9

Hier ein weiteres der “Zwölf Charakterstücke” von Josef Gabriel Rheinberger: Im II. Manual ist nur die Harmonica 8′ registriert. Das sind die Akkorde, die man von Beginn an hört – zusammen mit dem Subbass 16′ und dem Gedackt 8′ im Pedal. Im I. Manual setzt in Takt 5 die Flöte 8′ mit dieser klagenden Melodie ein.

Die beiden Manualklaviaturen vor der Restaurierung.

Einige Tasten sind schon extrem abgenutzt bzw. es fehlen Beläge. Außerdem stehen sie unterschiedlich hoch. Würde man die Tasten so ausrichten, dass alle auf gleicher Höhe stehen, dann hätte man entweder Heuler oder Versager oder beides. Sogar in dieser Position passiert es gelegentlich, dass ein Ton hängen bleibt. Das ist auch in der “Klage” von Takt 17 bis 18 zu hören.

Josef Gabriel Rheinberger: “Duett” op. 156,6

In diesem Duett unterhalten sich zwei benachbarte Stimmen in Sopran- bzw. Mezzosopranlage. Ich spiele sie auf dem II. Manual mit Harmonika und Flöte 4′. Das Hauptwerk, registriert mit Flöte 8′, übernimmt die Begleitung: gebrochene Akkorde in Tenorlage. Dazu spielt das Pedal die Grundtöne, gelegentlich auch die Terz. Hier sind wiederum Subbass 16′ und Gedackt 8′ registriert.

César Franck: “Adagio” aus op. 16

Dieses Adagio beginnt mit der Harmonica des II. Manuals. Nach acht Takten setzt das Pedal ein mit Subbass 16′ und Gedackt 8′. Da im Pedal der Ton c° leider zur Zeit komplett fehlt, beginne ich die Pedalstelle nicht wie gefordert eine Oktave tiefer, sondern wie notiert – immerhin weitet sich der Klang durch den Subbass 16′ allein in die Tiefe – erst an einer “passenden” Stelle, wenn das c° (bzw. notiert c’) nicht mehr vorkommt, springen meine Füße in die tiefere Oktavlage. So ist es in diesem Fall möglich, auch ohne den Ton c° im Pedal ein Stück in C-Dur zu spielen.

Analog beginnt der zweite Teil: Manualiter mit der Harmonica 8′, dann setzt acht Takte später das Pedal erneut ein – wiederum zunächt wie notiert und erst dann eine Oktave tiefer – um keine “Lücke” wegen nicht vorhandener Töne zu erzeugen.

Der dritte und letzte Teil dieses kurzen Musikstücks ist ein Wechselspiel zwischen den beiden Manualen, wobei das Pedal bis zum Schluss kontinuierlich in der tiefen Lage mitspielt. Nichts wird umregistriert; im I. Manual sind Bordun 16′ und Flöte 8′ registriert.

Nicht alle notierten Registrierungsangaben können umgesetzt werden, aber doch einige. Die eigentlich vom Komponisten vorgesehene “Vox humana 8′” und auch ein Schwellwerk wird uns die Restaurierung der Orgel nicht bescheren, wohl aber eine “Gambe 8′” und vor allem die deutliche Aufwertung der vorhandenen Pfeifen. Daher bin ich gespannt, ob auch bei diesem Stück eine gewisse Annäherung an die Klangvorstellung des Komponisten möglich sein wird.

Hier eine Tonleiter mit den beiden Pedalregistern Subbass 16′ und Gedackt 8′: Etwa in der Mitte fehlt ein Ton komplett: Da wäre das c°. Außerdem hört man Verstimmungen und Nebengeräusche, die die Musik übertönen. Das liegt zum Teil an der Aufnahmetechnik, vor allem aber an dem Zustand der Orgel. Das werden wir ändern!

Louis Vierne: “Berceuse” op. 31,19

Hier ein Stück mit verschiedenen 8′-Registern: Im II. Manual Harmonica 8′, Salicional 8′ und Gedackt 8′. Gegen Ende klingt letzterer allein. Im I. Manual zusätzlich Flöte 8′ und manchmal auch Prinzipal 8′. Streckenweise spielt auch das Pedal mit. Hier sind nur Subbass 16′ und Gedackt 8′ registriert. Die Pedalkoppel ist zur Zeit defekt. Daher können mit dem Pedal jetzt keine Manualregister mitgespielt werden.

Beim Registerwechsel hört man hier nicht nur den veränderten Klang, sondern auch sehr deutlich den Vorgang des Hinzuziehens oder Abstoßens von Registern: Damit einher geht im jetzigen Zustand der Orgel meistens ein ziemliches Poltern und Quietschen. – Die beiden unteren Bilder zeigen außerdem neben viel Dreck und Staub die Spuren des Holzwurms.

Die derzeitige Disposition ist wie folgt:

Hauptwerk C – f”’:

  • Prinzipal 8′ – C-d’ davon stehen im Orgelprospekt
  • Bordun 16′
  • Flöte 8′
  • Oktave 4′ – hier stand die Gambe 8′ – Oktave 4′ stand auf Platz von Quinte 2 2/3′
  • Trompete 8′ – nicht original, hier stand und wird wieder stehen: Gedackt 8′, welches rekonstruiert wird unter Verwendung von ca. 21 noch vorhandenen Originalpfeifen
  • Quinte 2 2/3′ – abgeschnitten, war früher Gambe 8′, wird wieder angelängt, hier stand Oktave 4′
  • Oktave 2′
  • Mixtur 3f. – C: 2′ – 1 1/3′ – 1′, c°: 4′ – 2 2/3′ – 2′, c’: 5 1/3′ – 4′ – 2 2/3′ c”: 8′ – 5 1/3′ – 4′

Nebenwerk C – f”’:

  • Salicional 8′
  • Harmonica 8′
  • Oktave 4′ – hier stand Flauto dolce 8′ aus Holz, welche rekonstruiert wird
  • Gedackt 8′
  • Flöte 4′
  • Spitzflöte 2′ – nicht original, hier stand die Oktave 4′

Pedal C – d’:

  • Posaune 16′ – jüngere Metallpfeifen – historische Holzpfeifen werden rekonstruiert unter Verwendung der vorhandenen originalen Köpfe
  • Gedackt 8′
  • Oktave 4′ – nicht original, hier stand Violon 8′, welcher rekonstruiert wird unter Verwendung dreier abgeschnittener historischer Runge-Pfeifen aus Hagenow
  • Subbass 16′
  • Prinzipal 16′

Wort, Bild & Ton: Dorothea Uibel